2017
Wohnhaus H. in Hördt
Neubau
Haus H. in Hördt kam beim Staatspreis 2018 für Architektur und Wohnungsbau, Wohnkultur in Rheinland-Pfalz in die Engere Wahl.
Weitere Informationen:
Die Dokumentation zum Staatspreis 2018 finden Sie hier:
Wohnhaus H. in Hördt
Variables Wohnen in bis zu drei Einheiten
Städtebaulicher Ansatz
Das Grundstück von 1980 m² liegt in einer schmalen Straße mit kleinteiliger Bebauung im alten Ortskern von Hördt. Vormalige Bestandsgebäude eines früheren Bauernanwesens konnten aufgrund der Bausubstanz nicht erhalten werden. Der Neubau soll mit einer modernen Architektursprache die vorhandene Dorfstruktur fortführen.
Das Raumprogramm sah vor zusätzlich zu der Hauptwohnung der Familie für die bald erwachsenen Kinder eigene, eventuell später auch mal ganz abtrennbare Wohneinheiten zu schaffen, die dennoch in enger Anbindung an das Familienwohnen stehen.
Weiterhin sollte zunächst für Gäste der Familie, vielleicht mal für Eltern oder auch für späteres Betreuungspersonal eine Wohnung geschaffen werden, die getrennt zugänglich ist.
Aus diesen Vorgaben entstand ein Konzept, dass die Aufgliederung der Wohneinheiten in verschiedenen Gebäuden vorsieht, die den städtebaulichen Zusammenhang wahren – zwei giebelständige Häuser direkt an der Straße mit eigenen Zugängen, in den Proportionen der umgebenden Bebauung. Der Verbindungsbau ist zurückgesetzt und niedriger, ein Eingangshof mit Tor und rückwärtig eingebauten Schränken für Gerätschaften und Müllboxen bietet Privatheit und Sichtschutz zur Straße.
Die Einheiten sind so angeordnet, dass über den Innenhof eine Gemeinschaft entsteht, gleichzeitig der Gartenbereich der Hauptwohnung eine hohe Privatheit aufweist, da er von den Wohnungen 2 und 3 nicht einsehbar ist.
Der im Ortskern immer wieder angesprochenen Stellplatzproblematik, gerade bei den engen Straßen (bei seitlich parkenden Autos ist für Rettungsfahrzeuge kein Durchkommen mehr möglich), wurde begegnet, indem alle Autos der Bewohner in einem offenen Carport unter der Einliegerwohnung abgestellt werden können. Gäste parken im Hof. Da das Eingangstor zurückgesetzt ist, kann bei Bedarf ebenfalls ein Auto eingerückt von der Straße abgestellt werden. So entsteht keine weitere Belastung für die Dorfstraße.
Wohnform
Ein gedeckter Gang, hervorgerufen durch ein auskragendes Obergeschoss, führt zum Haupteingang der Wohnung 1 im zurückgesetzten Querbau. Alle notwendigen Räume für Wohnen und Schlafen befinden sich auf einer Ebene und sind barrierefrei zu erreichen. Dieser Wohnteil bildet den Kern des Hauses, hier wird gewohnt, gelebt und in diesen Räumen kann man ohne bauliche Veränderungen alt werden.
Hier sind auch die Außenbezüge am Wichtigsten, ein ebenerdiges Durchwohnen mit großen Glaselementen zum Öffnen, sowohl zum Eingangshof als auch zur gedeckten Terrasse und dem sich anschließenden Gartenareal. Seitlich vom Wohnraum bietet eine Art Atrium mit Baum die Möglichkeit einer Sommerküche.
Die beiden Kinder der Familie sind im OG eines Seitenflügels untergebracht, zugänglich über das Haupttreppenhaus. Die Räumlichkeiten der Tochter sind zusätzlich über einen eigenen Aufgang von der Straße her erschlossen und ohne Aufwand als eigenständige Wohnung zu nutzen (Wohnung 2). Eine großzügige
Dachterrasse gibt den Blick in den Garten frei.
Im anderen Seitenflügel befindet sich über dem Carport die Einliegerwohnung (Wohnung 3), die ebenfalls einen separaten Zugang von der Straße her hat, durch die Verbindungstür zum Innenhof aber mit an das Hauptwohnen
angeschlossen werden kann. Die Lage der Fensteröffnungen gewährleistet bei allen Ausblicken absolute Privatsphäre für die Außenbereiche der Bauherren.
Diese hohe Variabilität der Nutzung ist ein Beitrag für die Zukunft, denn sie lässt zusammengefasst folgende Möglichkeiten zu:
- Wohnen für eine Familie mit mehreren Kindern, Wohnen mit mehreren Generationen
- Vermietung der Einliegerwohnung
- Vermietung der Räume der Tochter als eigene Wohneinheit
- Nutzung der Räume des Sohnes als Gäste- oder Arbeitsbereich
- Vermietung aller Räume der Kinder als eine große Wohnung, hierfür müsste lediglich das Haupttreppenhaus
abgetrennt werden.
- Die Hauptwohnung als barrierefreie Wohnung
Gestaltung
Bei Beibehaltung der innerörtlich vorhandenen Proportionen ist die äußere Gestaltung durchaus zeitgemäß und modern gehalten. Einfache Baukörper, die sich zurücknehmen.
Auch im Innenbereich sorgen helle, schlichte Räume und der Einsatz von wenigen Materialien für die Oberflächen – Designestrich im EG, Holzböden im OG, weiß verputzte Wände und Decken sowie Glas im Sanitärbereich – für einen ruhigen Charakter.
Die Haupttreppe wurde wie ein Möbelstück geplant, diverse Einbaumöbel weisen die Mischung aus weißen Flächen mit Holzanteilen auf. Die Innentüren sind flächenbündig eingesetzt, nichts schiebt sich in den Vordergrund.
Energiekonzept / Entwässerung
Die Gebäude haben eine hochgedämmte Hülle (Mineralfaser u. Holzfaser) und werden über Flüssiggas, verbunden mit Solarthermie und einem Festbrennstoffofen mit Wassertasche beheizt. Zusätzlich sorgt eine Photovoltaikanlage für Stromeinsparung.
Für die Entwässerung der Dachflächen wurde im hinteren Gartenteil eine großflächige Versickerungsmulde angelegt.
Problemstellung bei innerörtlichen Grundstücken dieser Größe
Große Grundstücke im Dorfkern waren früher meist durch bäuerliche Anwesen bedingt, die über ein Haupthaus mit mehreren Nebengebäuden verfügten und damit eine kleinteilige Struktur aufwiesen. Werden diese Grundstücke veräußert, ist die Gefahr groß, dass im Zuge von Neubaumaßnahmen Mehrfamilienhäuser entstehen, die als Renditeobjekte jeden Quadratmeter für Wohnfläche nutzen und damit den gestalterischen Rahmen einer gewachsenen Struktur sprengen.
So gab es auch für dieses Grundstück bereits einen Entwurf mit 13 Wohneinheiten und den entsprechenden Stellplätzen. Selbst wenn die Proportionen einigermaßen eingehalten werden, stellt ein plötzlich hohes Verkehrsaufkommen in engen Straßen ein nicht unerhebliches Problem dar.
Eine behutsame Vorgehensweise ist von daher für die alten Dorfkerne zu begrüßen.